kunftsentwürfe sind rar geworden, es regieren Kli- maangst, Corona-Erschöpfung und ein Bedro- hungsgefühl gegenüber einer immer komplexeren, konflikthaften Welt. All das stellt nicht nur ge- sellschaftliche Freiheiten infrage, sondern lähmt auch den Willen des Menschen, in die eigene Frei- heit und die Selbstverantwortung zu gehen – als ganzer Mensch, aber auch als arbeitende Person. Lieber wählt man den Rückzug in bekannte Gefilde, streamt abends auf der Couch Serien oder bleibt im Unternehmen in seinem kleinen Verantwortungs- kästchen. Sicherheit wird zum alles überstrahlenden Motiv einer verängstigten Gesellschaft. Aber wer die Freiheit aufgibt, um Sicherheit zu gewinnen, wird am Ende beides verlieren – das wusste schon Benja- min Franklin. New Work könnte somit tat- sächlich seine sozialutopische Botschaft wiedererlangen, wenn auch in einem neuen Sinne: Das Motiv von Freiheit und Verantwortung sollten wir nicht län- ger auf die Arbeit beschränken. Arbeit, die man wirklich, wirklich will, kann in einer unfreien, ängstlichen Gesellschaft nicht gedeihen. New Work fordert eine „New Society“, die sich den Werten Frei- heit, Selbstverantwortung und Soziale Verantwortung verschreibt, die das Ge- meinwohl fördert, Bildung revolutioniert und sich als eine optimistisch-innovato- rische Gesellschaft begreift. Schulen hervorgebracht haben. Diese Vielfalt an Konzepten ist einerseits für die intellektuelle Auseinandersetzung eine Bereicherung, macht es anderer seits interessierten Praktikern schwer, sich dem Thema New Work strukturiert zu nähern. 2019 wurde daher mit der New Work Charta ein Denkangebot für Theoreti- ker und Praktiker gleichermaßen gemacht. Die Charta sollte das Sozialutopische mit der Wirt- schaft, den Grundgedanken der Arbeit, die man wirklich, wirklich will, mit den Notwendigkeiten einer Unternehmensorganisation verbinden. Ein Gewinn, sagen die einen. Ein Verrat an der Grundidee, meinen die anderen. Der wichtigste Aspekt von New Work al- lerdings, der sich von Bergmann bis zur New Work Charta zieht, liegt in der Betonung der Frei- heit für das Gelingen des Menschseins und das Finden einer sinnvollen Tätigkeit. Ein Mensch genauso wie ein Unternehmen oder eine Gesell- schaft muss seine Freiheit nutzen, die Fesseln der selbst verschuldeten Unmündigkeit ablegen und sich mutig an der Idee einer besseren Zukunft entlang entwickeln. Nichts anderes lehrt uns die Aufklärung. Aber vielleicht ist das auch das große Prob- lem des heutigen New Work: Hoffnungsvolle Zu- Der wichtigste Aspekt von New Work, der sich von Bergmann bis zur New Work Charta zieht, liegt in der Betonung der Freiheit für das Gelingen des Menschseins und das Finden einer sinnvollen Tätigkeit. Wie weit wir von einem solchen Zustand entfernt sind, zeigt der aktuelle Stand der Debatte. Das in der Pandemie sich ebenfalls epidemisch ausbreitende Homeoffice soll auf einmal New Work sein. Der Obstkorb oder die neuen Büro- möbel auch. Derart verkürzte Definitio- nen haben nicht nur nichts mit New Work zu tun, sondern diskreditieren die ernsthaften Projekte vieler Unternehmen, New Work zu leben: mit eigenen New-Work-Teams, mit teilweise großartiger Netzwerkarbeit über Unter- nehmensgrenzen hinweg, mit einer neuen Wert- schätzung für den arbeitenden Menschen und mit gezielten Experimenten bei Hierarchie, Führung und Zusammenarbeit. New Work hat sich in großen Teilen von den utopischen Ansätzen eines Frithjof Bergmann gelöst. Aber es beginnt, sich in etwas Neues zu ver- wandeln. Geben wir New Work die Chance, das Wesen der Arbeit zu verbessern. New Work ist nicht nur die Chance, die Arbeitswelt zu revolutionieren. New Work kann uns als Gesellschaft helfen, mutig in die Zukunft zu schauen, unsere Chance zu ergrei- fen und unseren Kindern eine bessere Welt zu hin- terlassen. Wäre das nicht die Anstrengung wert? MARKUS VÄTH gilt als einer der führenden Köpfe der moder- nen New-Work-Bewegung in Deutschland. Er ist Verfasser der New Work Charta und Lehrbeauftragter für New Work und Orga- nisationsentwicklung an der Technischen Hochschule Nürnberg. D E U T S C H L A N D E D I T I O N 2 0 2 2